17. Februar 2025

«2028 räume ich das Büro»

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Die Übergabe von der sechsten zur siebten Generation, dieses Thema stand im Zentrum dieses Doppelgespräches. Aber natürlich ging es beim Treffen mit Stephanie und ihrem Vater Philipp Jöhr auch um Themen wie das Geschlechterungleichgewicht im Bauhauptgewerbe, Diversität, neue Ideen und Werte oder persönliche Ängste.

Interview: Sébastian Lavoyer, Bilder: zvg

Trotz Prüfungsstress und dichtem Terminkalender haben sich Stephanie und Philipp Jöhr schnell dazu entschieden, sich für dieses Doppelgespräch Zeit zu nehmen. Es soll um die Übergabe des Familienunternehmens BWT Bau AG mit Sitz in Winterthur gehen, um den Wechsel von der sechsten zur siebten Generation. Die 26-jährige Stephanie übernimmt vom 62-jährigen Philipp Jöhr, die Tochter vom Vater. Ein Bauunternehmen mit 300 Mitarbeitenden. Alles andere als ein Kinderspiel.

Eines vorneweg: Stephanie wird einen anderen Weg gehen als ihr Vater. Philipp Jöhr hat eine Maurerlehre gemacht, dann die Bauführerschule, mit 30 stieg er ins Familienunternehmen ein mit einem Sonderprojekt, der Zusammenführung zweier Holzbau-Standorte am heutigen Firmensitz in Winterthur. Danach übernahm er die Geschäftsführung eines Schwester-Unternehmens, 1996 dann die operative Führung der Gruppe. Seit 2014 konzentriert er sich auf die strategische Führung.

Eine Lehre als Maurerin war für Stephanie Jöhr nie Thema. Sie hat die Matura gemacht, ein Management-Studium an der ZHAW absolviert und eben noch mit dem Master in Unternehmensentwicklung angefangen. Als Vorbereitung für ihre spätere Tätigkeit, die strategische Führung des Unternehmens und die Aufgabe als Verwaltungsratspräsidentin.

Frau Jöhr, warum wollen Sie in die Baubranche?
Stephanie Jöhr
: Gute Frage. Ich habe früh gewusst, was ich nicht will. Was ich will hat sich erst später angefangen herauszukristallisieren. Für die Baubranche begann ich mich zu interessieren, als ich gemerkt habe, was für eine grundlegende Rolle sie spielt. Wir gestalten Lebensräume, die hoffentlich für mehrere Generationen bestehen bleiben. Das Interesse kam schleichend, es gab nicht den einen Aha-Moment.
Philipp Jöhr: Ich kann mich noch sehr genau erinnern, als du zum ersten Mal gesagt hast, dass dich unser Unternehmen schon ein bisschen interessiert. Du warst 19, wir sassen daheim am Esstisch und sprachen übers Geschäft.

Was hat diese Aussage bei Ihnen ausgelöst?
Ph. Jöhr:
Ich bin vorsichtiger Optimist. Natürlich habe ich das gerne gehört, aber mir war auch bewusst, wie alt sie ist. Ich habe ja selbst mit 24 noch nicht wirklich gewusst, was ich will. Aber seither befinden wir uns in einem Prozess.

Wann kam die definitive Zusage von Stephanie?
Ph. Jöhr:
Ein erstes Commitment war schon deine Zusage, im Beirat dabei zu sein. Und dann habe dich irgendwann Ende 2020, Anfang 2021 vor einem Kaderrapport gefragt, ob ich das nun so sagen dürfe. Es kamen nämlich schon langsam Fragen auf.

Inwiefern?
Ph. Jöhr:
Ich war damals 58, da beginnen sich die Mitarbeitenden zu fragen, was der Chef denn vorhat. Verkauft er? Hört er auf? Wenn man Glück hat, kriegt man das mit und merkt, dass man kommunizieren muss.

Wie haben die Mitarbeitenden reagiert?
Ph. Jöhr:
Die Nachricht, dass die Chancen auf eine familieninterne Nachfolgeregelung intakt sind, löste bei den Mitarbeitenden in erster Linie ein Gefühl der Erleichterung und Sicherheit aus.  

Was ist seither passiert?
St. Jöhr:
Wir haben damit angefangen, dass wir eine Roadmap erstellt haben. Zentraler Punkt war das Ausarbeiten einer Eigentümerstrategie. Während des Strategieprozesses haben wir gemerkt, wie ähnlich wir ticken.

Wie äussert es sich, dass Sie ähnlich ticken?
St. Jöhr:
Fragen Sie am besten meine Mutter (lacht). Sie hat manchmal das Gefühl, es stehe immer zwei gegen eins, weil mein Vater und ich immer gleicher Meinung sind.

Bis wann werden Sie, Herr Jöhr, denn noch mittun?
Ph. Jöhr:
2028 räume ich mein Büro, bis dahin ist es ein Miteinander – so wenigstens sieht es die Strategie vor. Aber das sind Richtgrössen, keine Fixpunkte.
St. Jöhr: Momentan bin ich noch zu 50 Prozent mit dem Master beschäftigt. Zwar bin ich seit 2021 im Beirat und seit 2024 offiziell im Verwaltungsrat, aber es geht für mich immer noch darum, die Branche besser kennenzulernen. Ich habe ja keinen technischen oder handwerklichen Background, es gibt also viel zu lernen.
Ph. Jöhr: Der Plan ist, dass ich bis 2027 voll hier tätig bin und mich dann im Verlauf des darauffolgenden Jahres immer mehr zurückziehe und Stephanie dann das Unternehmen strategisch führt.

Geht das, ohne operative Erfahrung und ohne bauspezifische Ausbildung?
Ph. Jöhr:
Davon bin ich überzeugt. Stephanie ist eine sehr intelligente und lernwillige junge Frau. Was sie drauf hat, hat sie schon während der Ausarbeitung der Unternehmensstrategie als Projektleiterin gezeigt.
St. Jöhr:  Wir haben Leute aus dem ganzen Unternehmen involviert, Lernende, Mitarbeitende, Poliere, Bauführer sowie Leute aus der Verwaltung und der Geschäftsleitung. Im Zentrum steht das Thema Nachhaltigkeit – ökologisch, ökonomisch und sozial.
Ph. Jöhr: Wir wollen alle an einem Strick ziehen, gemeinsam Erfolge feiern. Im Zentrum sollen dabei unsere Kunden und die Effizienz stehen. Weshalb wir auch die Digitalisierung unseres Unternehmens vorantreiben.

Nachhaltigkeit steht im Zentrum, heisst das Sie wollen den Holzbaubereich ausbauen?
St. Jöhr:
Der Holzbau soll tendenziell sicherlich wachsen. Aber wir werden auch unsere anderen Standbeine, die Schadstoff- und Betonsanierung, das Betonfräsen sowie die Bereich Umbau und Neubau pflegen.

Wie war es für Sie, Frau Jöhr, in die männerdominierte Bauwelt zu kommen?
St. Jöhr:
Ich wusste, worauf ich mich einliess (lacht). Aber letztlich ist es überall das Gleiche, wenn man neu am Tisch sitzt, muss man zuerst beweisen, dass man einen Mehrwert bringt, dass man es draufhat.

Und Sie, Herr Jöhr, hatten nie Bedenken?
Ph. Jöhr
: Ich habe null Bedenken. Sie will das machen und das ist zentral. Natürlich, die Bauwelt ist stark männlich geprägt, aber es ist höchste Zeit, dass mehr Frauen reinkommen. Das ist meine tiefste Überzeugung. Und es gibt ja schon einige andere Bauunternehmen, die auch weiblich geführt sind.

Es gibt Beispiele von anderen Unternehmern, die versuchten ihren Töchtern den Einstieg in die Baubranche auszureden.
Ph. Jöhr:
Ich habe eine einzige Tochter und sie will das Unternehmen übernehmen. Eine Frau, die in die Bauwelt will. Für mich ist es ein riesiges Glück. Manchmal frage ich mich, wie ich das verdient habe. Es hat mir die Energie gegeben, um noch einmal richtig Gas zu geben. Schliesslich will ich ihr eine Firma übergeben, die gut dasteht. Wir waren phasenweise so erfolgsverwöhnt, dass wir uns fast ein bisschen zu wenig um uns selbst gekümmert haben.  

Zum Beispiel um den Frauenanteil? Wie hoch ist der bei BWT?
Ph. Jöhr:
Verschwindend klein, leider. Wenn es gut kommt, erreichen wir über alle 300 Mitarbeitenden 5 Prozent, vermutlich aber nicht. Wir wollen das ändern, aber es braucht Bewegung in der Masse und die Masse unserer Leute arbeitet auf der Baustelle.
St. Jöhr: Es geht auch nicht darum, eine Frau einzustellen, nur weil sie eine Frau ist. Aber ja, wir möchten etwas bewegen. Und die Bauwelt ist in Bewegung. Die Branche wird nachhaltiger und digitaler und damit dürfte auch der weibliche Einfluss wachsen.

Wovor haben Sie Respekt, Frau Jöhr?
St. Jöhr:
Die Verantwortung, die ich übernehme, ist gross. Aber genau darauf freue ich mich auch. Sie ist die Motivation, nachhaltig zu entscheiden.

Und welchen Rat möchten Sie, Herr Jöhr, Ihrer Tochter mit auf den Weg geben?
Ph. Jöhr:
Glaube an dich, glaube an deinen Weg. Und wenn du unsicher bist, hol’ dir Rat, tausche dich aus. Es wird dich in der Überzeugung des eingeschlagenen Weges stärken.

Besten Dank für das Gespräch.

Das Unternehmen
Die BWT Bau AG gehört mit fast 190 Jahren Geschichte zu den ältesten Bauunternehmen der Schweiz. Heute ist sie in den Bereichen Umbau, Neubau, Schadstoffsanierung, Betonsanierung, Beton bohren und fräsen sowie Holzbau aktiv. Mit rund 300 Mitarbeitenden bietet das Unternehmen ein breites Leistungsspektrum. Als Projektleiterin hat Stephanie Jöhr in enger Zusammenarbeit mit ihrem Vater Philipp und mit Mitarbeitenden aller Hierarchiestufen eine neue Strategie erarbeitet. Dabei steht Nachhaltigkeit im Fokus: ökologisch, wirtschaftlich und sozial. Ziel ist es, sich als zukunftsfähiger und moderner Baupartner zu etablieren.

Die Familie
Philipp Jöhr führ die BWT Bau AG in sechster Generation. 2028 will er sein Büro räumenStephanie Jöhr, 26, ist das einzige Kind von Philipp Jöhr, 62. Sie wird ab 2028 die strategische Leitung des Unternehmens übernehmen. Philipp Jöhrs zwei Schwestern sind mit seiner Unternehmensleitung zufrieden, und auch die familiären Verhältnisse sind stabil. Durch klare Eigentumsverhältnisse konnten in der Vergangenheit Konflikte vermieden werden. Andere Familienmitglieder stehen für eine operative Rolle nicht im Fokus, was den Übergang zusätzlich erleichtert.