09. August 2022

100 Jahre Gasser Felstechnik

Gegründet als kleiner Dorfbaumeisterbetrieb wuchs die Gasser Felstechnik AG innerhalb von 100 Jahren zum gefragten national führenden Unternehmen heran. Ihre Spezialkompetenz ist der Umgang mit Fels. Das Einsatzgebiet ist gross: Die Aufträge reichen vom Brünig bis nach Grönland.

Text: Pascal Limacher
Fotos: Gasser Felstechnik AG
 

Im Jahre 1922 legte Karl Gasser-Meier, genannt «Lemäkari», in Lungern (OW) mit der Gründung eines Dorfbaumeisterbetriebs den Grundstein zu einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte. Die damaligen Aufträge: Wohnhäuser, Ställe und erste anspruchsvolle Tiefbauarbeiten in der Gemeinde Lungern. Hier auf 750 m ü. M. ist man von steilen Bergflanken umgeben, von welchen Wildbäche, Lawinen und Steinschlag niedergehen. Wer Fels nach den menschlichen Bedürfnissen formen will, findet in Sprengstoff ein effizientes und präzises Mittel. Die 1940er- und 1950er-Jahre brachten Gasser erste Sprengeinsätze: An der Grimsel für die Fundamente von Hochspannungsmasten, für die Frutt-Werke im Tunnelbau.

Die erste Sicherheitssprengung
Als 1959 ein instabiler Felsvorsprung die Brünigbahn zwischen Kaiserstuhl und Lungern bedrohte, war Sprengwissen gefragt. Der 30 bis 40 Kubikmeter mächtige Felsblock überragte die Bahnlinie bedrohlich und wies einen vier Meter langen Riss auf. Baumeister Karl Gasser wurde mit der Sprengung des Felsvorsprungs beauftragt. In der Nacht vom Montag, 16. November 1959, war Sprengtermin. Gassers Männer bohrten auf dem Felsvorsprung am Seil gesichert 13 je vier Meter tiefe Sprenglöcher. Diese wurden mit rund 15 Kilogramm patroniertem Altorfit-Sprengstoff geladen, verteilt auf 39 Ladungen. Jedes Bohrloch enthielt drei Ladungen auf verschiedenen Höhen, welche mit Knallzündschnur verbunden wurden. Die Fahrleitung musste in nächtlicher Arbeit heruntergenommen und die Schienen mit Holzschwellen abgedeckt werden. Um ca. 23.25 Uhr wurde die nähere Umgebung gesperrt und der Strassenverkehr über das linke Lungererseeufer umgeleitet. Kurz vor Mitternacht erfolgte die Zündung. «Eine grosse Zuschauermenge war Zeuge des sensationellen Ereignisses», schrieb die Zeitung Obwaldner Volksfreund. Alles verlief glatt. Bereits am nächsten Morgen konnte der Bahnverkehr wieder fahrplanmässig aufgenommen werden. Wie stark dieses Know-how das Unternehmen später prägen sollte, ahnte damals noch niemand – weder Gründer Karl Gasser noch sein Sohn Karl jun., der die Geschäftsleitung drei Jahre zuvor übernommen hatte.

Einheimische Fachkräfte als Mitarbeitende
Seit der Gründung wurden mit primär einheimischen Mitarbeitenden und einer fachbezogenen Ausbildung gute, solide Bauleistungen angestrebt. Davon profitierte die Firma, da zum Beispiel bei Umbauten von militärischen Untertaganlagen nur Schweizer Staatsbürger eingesetzt werden durften. Grosse Baukonzerne setzten stärker auf Gastarbeiter, sodass Gasser dort oft als Subunternehmer beigezogen wurde. Es folgten grössere und komplexer werdende Aufträge im Tunnelbau und in Steinbrüchen. Als Thomas Gasser 1992 die Leitung in dritter Generation übernahm, zählte die Firma rund 60 Mitarbeitende. Er forcierte die Spezialisierung mit Fels- und Hangsicherungen sowie Schacht- und Stollenbau energisch, bald war das weisse G auf blauem Grund schweizweit zu sehen. 1998 wurde die Firma in Gasser Felstechnik umbenannt.  

Komplexe Felssprengung über der Autobahn A2
Die beiden Grosssprengungen von 2001 und 2002 am Chapf, oberhalb der Grimselstrasse nach Guttannen (BE), etablierten Gasser Felstechnik als Schweizer Marktführer für Sicherheitssprengungen. Einmal 150'000 und einmal 100'000 Kubikmeter absturzgefährdeter Fels wurden damals gesprengt, nach Wochen intensiver Bohrarbeiten unmittelbar auf den instabilen Felspfeilern. Auf diese Erfahrung griff auch die öffentliche Hand zurück, als am 2. Juni 2006 ein Blockschlag die Autobahn A2 in Gurtnellen (UR) traf und damit die Nord-Süd-Achse unterbrach. Am 23. Juni 2006 folgte die Auflösung der Gefahrenquelle mit 1’500 Kilogramm Sprengstoff. Eine Woche später wurde die A2 wieder für den Verkehr freigegeben. Der damalige Bundespräsident Moritz Leuenberger überbrachte den Sprengverantwortlichen seinen Dank persönlich.

Von Grönland bis zum Klein Matterhorn
Im Jahr 2006 gewann Gasser Felstechnik in einer ARGE mit Implenia und Bürgi (Alpnach) den Auftrag zum Bau des Umfahrungstunnels Lungern. Mit einer Bausumme von über 100 Mio. Franken stellte der Auftrag eines der grössten Projekte in der Firmengeschichte dar. Auch internationale Aufträge für spezielle Problemstellungen mehrten sich. In Grönland wurde zwischen 2007 und 2010 inmitten einer steilen Felswand über einem Fjord an einer Personenseilbahn gearbeitet, welche das dortige Minenprojekt erschliessen sollte.

In der Schweiz forderte zwischen 2015 und 2018 eine Baustelle auf 3’883 m ü. M. mit zweistelligen Minustemperaturen von den Mitarbeitenden alles ab: Am Klein Matterhorn wurden umfangreiche Sprengaushub- und Sicherungsarbeiten für die höchstgelegene Bergstation Europas der neuen Dreiseil-Bahn durchgeführt.

Spezialtiefbau als neue Kompetenz
Neben Untertagebau, Felssicherungen, Sprengtechnik sowie Hoch- und Tiefbau hat sich im letzten Jahrzehnt die Kompetenz im Spezialtiefbau stark entwickelt: Zum Leistungsportfolio gehören heute Mikropfahlfundationen, Ankerarbeiten, Baugrubenabschlüsse und Zielbohrungen.

2016 erfolgte die Gründung der Gasser Engineering AG als selbstständige Organisation. Auch in der Sprengtechnik, welche am Ursprung der Spezialisierung der Gasser Felstechnik AG stand, zeigt sich die Innovationskraft: Digitale 3D-Modelle aus Drohnenaufnahmen schaffen heute bei Sprengprojekten Planungssicherheit. Dank moderner Vermessungstechnik und der Sprengplanung am 3D-Modell sind Risiken präzise ermittelbar. Die Ladeberechnung ist genauer und damit auch wirtschaftlicher. Ob bei Sicherheitssprengungen oder bei Gewinnungssprengungen in Steinbrüchen: Mit digitaler Sprengplanung können heute Sicherheit, Qualität und Effizienz deutlich gesteigert werden.

 

Über die Gasser Felstechnik AG
Die Gasser Felstechnik AG mit Sitz in Lungern ist ein traditionsreiches und unabhängiges Unternehmen der Obwaldner Bauwirtschaft. 1922 gegründet, befindet sich der Familienbetrieb heute im Besitz der vierten Generation. Rund 300 spezifisch ausgebildete Mitarbeitende vereinen ein breites Know-how. Die Unternehmung zählt in ihren Kernkompetenzen Untertag, Felssicherung, Sprengbetriebe, Spezialtiefbau und Bauservice zu den führenden Adressen. Die Gasser Engineering AG, verschiedene Beteiligungen sowie Immobilien ergänzen die Aktivitäten.

Weitere Informationen: www.felstechnik.ch

Felssicherungsarbeiten für ein Minenprojekt in Grönland, begleitet von einem BBC-Filmteam, 29.04.2010

Felsabbau und Steinschlagschutz an der Brünigstrasse bei Kaiserstuhl 1996

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