04. März 2022

Baustelle des Monats

Stück für Stück zur neuen Brücke

Die neue Aarauer Aarebrücke ist «die komplizierteste Brücke, die ich je gebaut habe», sagt Implenia-Polier Kurt Süess. Zusammen mit einer Stammgruppe von zirka zwölf Leuten ist er in der ARGE Kettenbrücke für den Neubau der «Pont Neuf» zuständig. Dazu gehören knifflige Details, rutschige Situationen und jede Menge Punkte zum Abstecken.

Text: Anita Bucher

Nachdem im Sommer 2020 endgültig die letzten Stücke der alten Aarebrücke abgebrochen waren, übernahm im September Kurt Süess, Polier von der Implenia die Arbeiten für den Neubau. «Ein Brückenbauprofi», wie sein Bauführer Fridolin Hess anerkennend sagt. Tatsächlich hat Kurt in seiner Berufskarriere schon über 30 Brücken gebaut. Die neue Aarauer Aarebrücke, unter dem Projektnamen «Pont Neuf» soll sich als Letzte in diese Serie einreihen. Danach wird Kurt via FAR (Flexibler Altersrücktritt) in Pension gehen. Vorher gibt es aber noch einiges zu tun. Denn die Aarauer Brücke stellt ihn immer wieder vor neue Herausforderungen.

Neue Brücke aus fünf Bögen
Die neue Brücke wird 120 Meter lang werden. Sie besteht aus fünf Bögen: Zwei kleinere Bögen im Bereich der Aareuferwege und drei weitere grosse, die sich über die Aare spannen. Gestalterisch soll sie an frühere Bogenbrücken erinnern. Zeitgemäss wird sie in Beton erstellt. Die vielen Wölbungen im Bereich der Bögen stellen auf Platz eine grosse Herausforderung dar. Zumal von den fünf Bögen kein einziger wie der andere ist. „Jeder Bogen ist anders“, erzählt Kurt. „Wir können praktisch kein Schalungselement ein zweites Mal benutzen. Von Aarau Richtung Küttigen gibt es zudem ein leichtes Gefälle auf der Brücke. Auch dieses sorgt dafür, dass die nötigen Radien immer wieder anders verlaufen. Kommt dazu, dass auch die Untersicht der Brücke runde Wölbungen aufweisen soll.

Geschalt wird mit sägerohen Brettern, eine Vorgabe des Architekten. Die Schalung soll zudem senkrecht zur Brückensymmetrie verlaufen. „Das schwierigste war sich zu überlegen, wie wir überhaupt anfangen sollen“ erinnert sich Kurt. Denn durch diese Vorgabe musste auch das Leergerüst gegengleich zur Brücke aufgestellt werden.

Viel Wasser beim Betonieren der Pfeiler
Die beiden Brückenpfeiler konnten, wie vorgesehen auf den bestehenden Caisson der alten Brücke fundiert werden. Nicht vorgesehen war aber das viele Wasser, das durch die Kiesschicht drückte und den Rückbau erschwerte. „30‘000 Liter pro Minute haben wir herausgepumpt damals. Das kontaminierte Wasser wurde in die Absetzbecken gepumpt und dort neutralisiert, bevor wir es zurück in die Aare geleitet haben. Schliesslich haben wir die ausgepumpten Spundwandkästen wieder geflutet und die Dichtplatte unter den neuen Pfeilern mit Unterwasserbeton betoniert. Die Schalung für die darauffolgenden Pfeiler, war die einzige Schalung auf dieser Baustelle, die wir noch ein zweites Mal, nämlich beim zweiten Pfeiler wieder benutzen konnten.“

Aufwendige Rundschalungen
Alsbald ging es daran die zahlreichen Rundschalungen zu planen. Nebst den gestalterischen Formen müssen auch Werkleitungen in die Brücke integriert und Zugänge für deren späteren Unterhalt geschaffen werden. Die geschwungene Formensprache stellt die Bauleute vor Ort immer wieder vor neue Herausforderungen. Alles ist irgendwie schräg, kaum eine Wand ist senkrecht zu schalen und zu betonieren. „Ursprünglich hatten wir mal Plan-Schnitte im zweieinhalb-Meter-Abstand bekommen zum Arbeiten. Aber relativ schnell haben wir gemerkt, dass uns diese kaum was nützen, denn zehn Zentimeter weiter drüben, waren die Masse ganz andere.“ Während sich die Bauführer ein 3D-Modell erstellen liessen, arbeitet Polier Kurt trotz allem lieber mit Papier. „Da geht nichts kaputt, wenn mal was runterfällt“, bemerkt er augenzwinkernd.

Die grösste Schwierigkeit sei es immer wieder schräge Wände auf gebogene Flächen stellen müssen. Das mache es wahnsinnig schwierig zum Einmessen und Umsetzen. „Im unteren Bereich sieht die Brücke aus wie in einer Kathedrale.“

Mit Tablet und Tachymeter
Ohne digitale Unterstützung geht es auch bei ihm nicht. Er arbeitet mit der Tachymeter Totalstation. „Wir haben rasch gemerkt, dass wir sehr viel mehr Punkte einmessen müssen, als wir mal dachten, damit die Schalungen später wirklich genau am richtigen Ort sind und etwas nachdenklich fügt er hinzu: „Ohne ging es nicht. Ich weiss wirklich nicht wie das frühere Bauleute gemacht haben, die vor Hunderten vor Jahren Kathedralen, wie etwa die Notre-Dame mit all diesen Gewölben erstellt haben.“

Nebst den vielen hundert Punkten, die er inzwischen eingemessen hat, war auch die Reihenfolge der Schalungserstellung nicht ganz ohne. „Die Planung der Arbeiten ist zentral“, sagt Kurt: „Denn dort, wo wieder Wände oder Gewölbe anschliessen, muss immer erst die Frage beantwortet werden: kommen wir da überhaupt noch hin, wenn wir bereits betoniert oder geschalt haben?“ So entsteht die Aarebrücke in vielen kleinen Teilstücken, die langsam zu einem grossen Ganzen zusammengefügt werden. „Monolithisch ist anders“, sagt Kurt: „Aber beim gewünschten Design geht es schlicht nicht anders.“

6300m2 Sichtschalung und 10 Paletten Keile
Die Holzträger für die kleineren Rundbögen für die späteren Fusswege auf beiden Seiten wurden vorbestellt und auf die Baustelle geliefert. Pro Bogen waren es vier Segmente, welche die Bauleute vor Ort zu einem Bogen mit dem richtigen Radius zusammenbauen mussten 70 Bögen pro Seite seien es gewesen, die nach und nach aufgerichtet wurden, damit mit der Schalung überhaupt erst begonnen werden konnte. Bei den grösseren drei Bögen, die über die Aare laufen, bauten die Bauleute die Holzträger selbst. „10 Palette an Keilen wurden uns auf die Baustelle geliefert“, erzählt Kurt. „Die meisten Keile habe ich versetzt auf dem Joch, mindestens die ersten Meter. Damit sicher nichts verwechselt werden konnte. Danach hat jeweils ein Arbeiter übernommen.“ 6300m2 Sichtschalung sind es insgesamt, die auf die Träger verbaut werden. „Wir haben jetzt fast alles geschalt“, hält Kurt fest. „Der aufwendigste Teil liegt sicherlich hinter uns.“

Dennoch werden die Baumeister-Arbeiten mit all ihren Details und den seitlichen Brüstungen noch bis gegen Ende 2022 dauern. Danach wird sich Kurt in den wohlverdienten Ruhestand begeben. Die Abschlussarbeiten mit der Umlegung von Werkleitungen und Verkehr überlässt er gerne seinem jetzigen Stellvertreter Polier Remo Ackermann. „Alles muss ich nicht mehr machen“, sagt er, der seit 32 Jahren als Polier für die Implenia arbeitet. Ob er fehlen wird? Er, der Brückenspezialist? Kurt Süess lächelt nur: „Andere können das genauso gut, und wenn nicht, dann lernen sie es“, da ist er sich sicher.

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