19. Januar 2023

Secondo Tubo – Logistik für die 2. Gotthardröhre

Mitte 2024 werden am Gotthard zwei grosse Tunnelbohrmaschinen die Arbeit an der zweiten Röhre des Gotthard-Strassentunnels aufnehmen. Gefräst und gesprengt wird aber bereits seit langem. 121 Leute sind aktuell auf der Gotthardbaustelle Nord damit beschäftigt verschiedenste Stollen und eine grosse Kaverne auszubrechen, die es für die Bauarbeiten im Hauptlos braucht. Ein Blick auf die Bauarbeiten im Los 243.

Text: Anita Bucher

Bilder: zvg

«Peng!» - Mit einer symbolischen Sprengung und einem Festakt wurde am 29. September 2021 das Abenteuer «Zweite Gotthard-Röhre» begonnen.
Ein feierlicher Moment für die Gemeinden Göschenen und Airolo und der Anfang einer sehr langen und sehr grossen Baustelle.

Baulos 243 – Zugangsstollen und Logistikausbrüche Nord
Die aufwändigen Bauarbeiten am Gotthard sind in sieben Lose (6 Tunnelbaulose, 1 für Materialbewirtschaftung) unterteilt. Dazu kommen diverse Vorlose, also diejenigen Arbeiten, welche von 2020 bis zum offiziellen Spatenstich am 29. September 2021 bereits ausgeführt worden sind.
Das Los 243 wurde der ARGE «Secondo Tubo» erteilt. Diese setzt sich aus Implenia, Webuild Group/csc und Frutiger zusammen. Gebaut werden im Los 243 vorallem Logistikausbrüche und Zugangsstollen, aber auch eine 35 Meter breite überschnittene Bohrpfahlwand mit meterdicken Bohrpfählen zur Sicherung des Hauptportals. Nebst dem Ausbau des Installationsplatzes sind es ein Transportstollen für den Materialverkehr, ein Zugangsstollen zur Störzone, eine 150 Meter lange Betonkaverne, ein Verbindungsstollen zu bestehenden Armeekavernen sowie ein Förderbandstollen zur Bahnverbindung. Auf dem Installationsplatz «Eidgenössisch», der sich rund 25 Meter über dem künftigen Tunnelportal befindet, befinden sich somit alle wichtigen Logistikbauwerke, die für die späteren Bauarbeiten im Hauptlos unabdingbar sind.

Kaverne für Betonaufbereitungsanlagen
Unweit des Installationsplatzes, nur 50 Meter weiter im Berg drin beginnt die Kaverne für die Betonaufbereitungsanlage. Sie ist 150 Meter lang, 16 Meter hoch und 18 Meter breit hoch. Material, das alles konventionell ausgesprengt wurde. Zwei Ortsbetonanlagen werden hier später den benötigten Beton für die 2. Röhre produzieren. Dies hat verschiedene Vorteile: Wie stabile klimatische Verhältnisse für den Beton aber auch möglichst wenige Emissionen für die lärmgeplagten Einwohner von Göschenen. Verwendet wird für die Betonproduktion in erster Linie das ausgebrochene Material, das zwischenzeitlich in Stalvedro wiederaufbereitet wird.

Von der Kaverne aus wurde ein kurzer Verbindungsstollen in vier stillgelegte bestehende Armee-Kavernen ausgebrochen. Hier sollen dereinst die Tübbinge vor Ort produziert werden, welche die Mineure hinter der grossen TBM im Hauptlos setzen werden. Sie dienen einerseits zur Stabilität des neu ausgebrochenen Tunnels. Andererseits stösst sich die TBM an ihnen ab für den weiteren Vortrieb.

Störzone Nord – auf Umwegen zum Ziel
Das mit Röhre 2 zu durchdringende Gotthardmassiv des Bauloses Nord besteht zu grossen Teilen aus Aare-Granit, teils auch aus Gneis und zu kleinen Teilen aus lockergesteinsähnlichem Gestein, das sich für die Durchdringung mit der grossen Tunnelbohrmaschine (TBM) überhaupt nicht eignet. Die sogenannte Störzone Nord beginnt rund 4km nach dem künftigen Tunnelportal Nord. Um zu verhindern, dass die Bohrarbeiten mit der grossen TBM dann stoppen müssen, oder gar die Maschine beschädigt oder verschüttet wird, muss die Störzone bereits im Vorfeld beseitigt werden. Dazu wird von der Kaverne aus ein kleinerer Tunnel (Zugangsstollen Nord) mit einer kleineren TBM in den Fels gefräst. Er beginnt rund 25 Meter über dem künftigen Tunnel und wird mit einer Rechtskurve zur Störzone hingeführt.

Mit der Kraft des Urner Stiers
Die dafür benötigte Tunnelbohrmaschine, die auf ihrem Schneidkopf den Urner Stier zeigt, wurde während rund 100 Tagen auf dem Installationsplatz zusammengestellt. 210 Meter lang und verfügt über einen immer noch stattlichen Schneidkopf mit 7 Metern Durchmesser. Seit Anfang November frisst sich der Urner Stier mit einer Druckkraft von 16'500 Kilonewton und einer Verspannkraft von fast 45'000 Kilonewton durch die vier Kilometer Fels bis zur Störzone. Ab da wird sie demontiert werden und die Störzone wird mit konventionellen Sprengarbeiten beseitigt. Damit wird dieses Hindernis für die Hauptarbeiten der grossen TBM bereits im Vorfeld beseitigt.

Transportstollen für Material
Ebenfalls von der Kaverne aus beginnt der 300 Meter lange mittels Sprengvortrieb ausgebrochene Transportstollen, der später in die 2. Röhre münden wird. Er wird für den Materialtransport zur Baustelle benötigt. Der Abtransport des Ausbruchmaterials erfolgt sowohl beim Zugangstollen wie auch beim späteren Strassentunnel primär per Förderbänder. Der Bahnverkehr transportiert das Material je nach Beschaffenheit zu seinem jeweiligen Bestimmungsort (Materialaufbereitung in Stalvedro oder Deponie).


Umlegung des Sicherheitsstollens
Xavier von Mandach ist als Baustellenchef der ARGE Secondo Tubo verantwortlich für den reibungslosen Ablauf vor Ort. Er erklärt: «Vor Beginn der Arbeiten an der Hauptröhre musste nebst den ganzen Logistikausbrüchen auch der Sicherheitsstollen umgelegt werden. Dieser wurde dabei mit einer Höhendifferenz von 25 Meter über die 1. Tunnelröhre zur Seite geführt.» Sein nächstes Ziel? «Die Störzone! Wir wollen möglichst rasch zur Störzone vordringen, die TBM abbauen und mit der Beseitigung der Störzone beginnen. Hier erwartet uns im Vergleich zu den 25 Metern, welche die TBM aktuell schafft noch ein Vortrieb von lediglich 0.5 bis 1 Meter pro Tag.»

120 Mann im 24-Stunden-Betrieb
Es gibt viel zu tun auf der Gotthardbaustelle Nord. «Teilweise hatten wir sehr viel Aktivitäten gleichzeitig auf Platz», erzählt von Mandach. Vorallem dann, als nebst dem Sprengvortrieb für die Startröhre gleichzeitig die Montage der TBM auf dem Installationsplatz anstand.» Inzwischen hat es sich wieder etwas beruhigt. Aktuell hat die TBM bereits 1.3 Kilometer des Zugangsstollens ausgefräst. Während die Mineure sich im Dreischicht-/7-Tage-Betrieb abwechseln, arbeitet das restliche Baustellenpersonal im Tagesbetrieb.

Einzigartige Kristalle gefunden
Beim Eingang der Baubüros liegt augenfällig ein grosser schwerer Kristallbrocken. «Leider zerstört» erklärt von Mandach. Erst kürzlich war beim Sprengvortrieb nur 300 Meter nach Stolleneingang im Deckenbereich Kristallgestein gefunden worden. Die Kantonale Mineralienaufsicht hatte daraufhin mehrere hundert Kilogramm Gestein geborgen. Darunter wertvoller Rosafluorit und Kristalle von aussergewöhnlicher Klarheit. Der Brocken vor dem Baustellenbüro jedoch war von der Decke runtergestürzt, weshalb praktisch alle Kristallspitzen abgebrochen sind und der Stein damit wertlos. «Schade!» Der Baustellenchef zuckt die Schultern. Auch das gehört dazu.

Was auch immer noch auf die Baucrews am Gotthard zukommen wird: Sicher ist, man steht noch ganz am Anfang mit den Arbeiten an der zweiten Röhre. Das Abenteuer «Secondo Tubo» hat erst begonnen.

Grafik der ARGE secondo tubo, welche die zu erbringenden Logistikausbrüche Nord im Los 243 zeigt. Der Zugangsstollen zur Störzone wird rund 4km lang werden.

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