11. Juni 2020

Baustelle des Monats: Unterführung Mühlegutstrasse in Goldach SG

Am Wochenende vom 8. bis zum 11. Mai 2020 wurde in Goldach eine 1300 Tonnen schwere Strassenunterführung, die während der letzten Wochen neben dem Bahngleis vorproduziert wurde, mit einer Geschwindigkeit von bis zu einem Meter in zwei Minuten, eingeschoben. Der dafür vorgesehene Endpunkt befand sich 32 Meter vom vorherigen Standort entfernt – und das unterhalb des Bahngleises.

Samstagnachmittag, 8. Mai 2020 in Goldach SG: Am Bahndamm ist mächtig etwas los. Auf der SBB Linie St.Gallen – Chur ist die Strecke während des ganzen Wochenendes komplett gesperrt. So lange haben die Bauleute Zeit, um auf einer Breite von 75 Metern die Schienen zu demontieren, den acht Meter hohen Bahndamm abzubaggern und das bereits vorproduzierte 1300 Tonnen schwere Unterführungselement, das derzeit noch neben dem Bahndamm steht, einzuschieben. Am Montagmorgen, kurz vor halb sechs Uhr, wird hier bereits der erste Zug durchrollen. Hoffentlich. Hinter den Baustellenabsperrungen sammeln sich dem Coronavirus zum Trotz die Schaulustigen. Es ist das wohl grösste Spektakel der letzten Jahre in Goldach und für die verkehrsgeplagten Goldacher ein absolutes Grossereignis. «Gerne hätten wir eine Zuschauertribüne mit Verpflegung realisiert», erzählt Bau- und Projektleiter Dominik Stoecker vom zuständigen Bauingenieur-und Planungsbüro Brühwiler AG. Corona-bedingt musste jedoch darauf verzichtet werde. In den Medien hätte man die Leute darum gebeten den Einschub stattdessen auf den Web-Kameras zu verfolgen, um Versammlungen vor Ort zu vermeiden. Dennoch hat es erheblich Leute vor Ort, die sich aufgrund der Grösse der Baustelle aber gut verteilen. Die meisten versuchen Abstand zueinander zu halten. Handlungsbedarf besteht zum Glück nicht.

Zwölf Stunden vor dem Zeitplan

Nachmittags um 14 Uhr sieht es bereits gut aus in der Baugrube. Die Bauprofis von Cellere kommen viel zügiger voran als gedacht. Der enge Zeitplan hatte die Verschiebung des Elementes erst nachts um 2 Uhr vorgesehen. Nun kann bereits viel früher damit begonnen werden. «Das schöne Wetter kommt uns zu Gute» erklärt Bauführer Philipp Koller gut gelaunt. «Ausserdem war der Aushub viel lockerer als erwartet. Kaum grosse Findlinge.» Trotz Sondierungen neben den Gleisen konnte man nicht wirklich voraus sagen, was da im Boden stecken würde. Denn die Sondierungen waren aus Sicherheitsgründen von beiden Seiten des Bahndammes nur bis zu fünf Meter an die Bahnlinie heran gestattet. Alles was dazwischen lag, war eine Blackbox für die Bauleute. Mit so sandigem Erdreich und gut baggerbarem Material hatte niemand gerechnet. «Durch das trockene Wetter konnten der Aushub zudem auf ein Minimum beschränkt und die beiden Böschungen stabil erstellt werden. Bei Regen hätten wir zusätzliche Massnahmen ergreifen müssen, um sicher zu sein, dass die beiden Hänge nicht abrutschen», führt Koller aus. Dennoch waren es ganze 6500 m3 Aushub, welche in 600 Lastwagen-Fahrten abgeführt wurden. Dieselben zwanzig Lastwagen stehen auch schon wieder bereit mit dem Kies für die Hinterfüllung. «Der Idealfall ist eingetreten», sagt Koller hoch zufrieden. Zwölf Stunden vor dem Zeitplan sind seine Leute unten in der Baugrube bereits daran die Verschiebung der Unterführung anzugehen. Ein spezieller Moment. Der Adrenalinspiegel ist hoch: «Alle beteiligten Arbeiter sind topmotiviert. Ich kriege sie zum Teil kaum aus dem Bagger raus», lacht der Bauführer. Auch für ihn selbst ist diese Baustelle das Spannendste, was er bisher gemacht hat und entsprechend steht er unter Strom. Das Zeitfenster von 55 Stunden ist kurz. Wenn plötzlich ein Problem auftaucht, wird die Zeit rasch knapp.

Ein Meter in zwei Minuten

Während die Bauleute von Cellere in der Grube Vollgas arbeiten, stehen links und rechts auf den beiden abgegrabenen Enden des Bahndammes die Planungsverantwortlichen der Brühwiler AG und eine Menge Projektinvolvierte der SBB. Alle verfolgen gespannt, wie sich das gewaltige Unterführungselement in der Grube auf Schienen Zentimeter für Zentimeter auf seine Endposition zu bewegt. Eingesetzt werden dafür sechs Hydraulikpressen, welche die Betonunterführung anheben und mit einer Geschwindigkeit von maximal einem Meter pro zwei Minuten bewegen. Auch der Vorsitzende der Cellere-Gruppenleitung, Marco Cellere, 4. Generation im Familienunternehmen, lässt sich das Spektakel nicht entgehen. Die Stimmung ist gut. Die Vorbereitungen der vergangenen Monate haben sich ausbezahlt. Bei der Cellere Bau AG ist man stolz. «Aber es ist noch nicht vorbei», sagt Marco Cellere zu Recht. Eine Schlechtwetterfront steht bevor und es gibt noch einige Herausforderungen zu bewältigen. So sind etwa die strengen Verdichtungswerte, welche die SBB vorgibt für die Hinterfüllung ausgesprochen schwierig zu erreichen.

Gewitter über Goldach

In der Nacht zum Sonntag wird sich über der Baustelle in Goldach ein gewaltiges Gewitter entladen. Dennoch wird auf der Baustelle ohne Unterbruch weitergearbeitet. Pech für die Bauleute? – Nicht unbedingt. Nachdem die Unterführung an ihrem richtigen Ort platziert war, wurde mit Beton und Kies hinterfüllt. «Das Material kann dem Regen standhalten», meint Bauführer Koller. «Durch die Materialwahl in höchster Qualität, konnten trotz heftigen Niederschlägen ausgezeichnete Verdichtungswerte erreicht werden», zeigt er sich später sehr zufrieden.« Zum Schluss wurden die für den Bahnverkehr der SBB und SOB notwendigen Gleise wieder eingebaut. Am Montagmorgen kurz vor halb sechs Uhr war es dann soweit: Fahrplanmässig rollte der erste Zug über die neue »Brücke».

 

KENNZAHLEN ZUM PROJEKT

6500 m3 Aushub
1300 Tonnen
(Gewicht Unterführung)
350 m3 Frischbeton
2500 m3 Kiessand
6 Bagger
20 LKW
100 Arbeiter/innen
Schichtbetrieb während 55 Stunden

 

 

Text: Anita Bucher

Fotos: Cellere/Anita Bucher

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