27. November 2020

Baustelle des Monats November

Der Holzbau eignet sich durchaus für den Instrastrukturbau. Über der AutobahnA1 bei Aarau wird die erste Wildtierbrücke der Schweiz mehrheitlich  aus Holz erstellt. Die benötigte Menge Holz ist im Schweizer Wald innert 3 Stunden und 26 Minuten wieder nachgewachsen. 

Brücken, Überführungen, Autobahneinfahrten: Holzbauer wissen längst was man mit Holz alles machen könnte. Überzeugt werden müssen aber die Bauherren, in diesem Fall das Astra, Amt für Strassen in Bern. 20 Jahre vergingen von der ersten Idee einer Wildtierbrücke aus Holz bis zur Realität. 

Umso mehr freuen sich die Projektinvolvierten jetzt am Resultat. Die in Suhr realisierte Wildtierbrücke ist eine Symbiose aus Holz, Stahl und Beton, wobei Holz das primär verwendete Material ist. 

Wichtiger Wildtierkorridor wird wieder hergestellt 

303 Wildtierkorridore von überregionaler Bedeutung gibt es laut Bundesamt für Umwelt in der Schweiz. Viele davon mit ungünstigen Bedingungen für die Tiere, wie unpassierbare Autobahnen, vielbefahrene Kantonsstrassen oder SBB-Strecken. «AG6», wie derjenige hier in Suhr genannt wird, gilt als gesamtschweizerisch eines der wichtigsten Nadelöhre. Hier befindet sich die einzige ca. 300 Meter breite Lücke im Siedlungsgürtel zwischen Olten und der Linthebene, die ein Queren der Wildtiere des Mittellandes in Nord-Süd ermöglicht. «Viele bekannte Wildtierkorridore in der Schweiz sind seit Jahrzehnten durch Autobahnen unterbrochen», erklärt Guido Biaggio, Vizedirektor vom Astra. «In Suhr stellen wir einen solchen Korridor mit der Wildtierbrücke wieder her und leisten so einen Beitrag zur Förderung der Biodiversität.» Biaggio war im Sommer öfter mal auf der Baustelle in Suhr anzutreffen. Der schnelle Aufbau und die innovative optisch ansprechende Lösung begeistern ihn. Auch Folgeprojekten ist er nicht abgeneigt, wenn sie sinnvoll sind. Bereits ist die nächste Wildtierbrücke aus Holz im Bau: Sie wird in Neuenkirch LU zu stehen kommen, und eine weitere in der Linthebene (GL) wird folgen. 

100 Jahre muss die Brücke halten 

Der 13,9 Mio. Franken teure Bau in Suhr gab im Vorfeld viel zu reden. In den Vorprojektphasen wurden die Ausführungen in Beton und Holz berechnet und einander gegenübergestellt. Eine Nutzbereite von 50 Metern war vorgegeben. Andererseits würde die Brücke durch die Tiere nicht akzeptiert werden. Nebst der Wirtschaftlichkeit sollte die Konstruktion auch wartungsarm und beständig sein. 100 Jahre lang soll die neue Wildtierbrücke halten. Ein späterer Ausbau von zwei auf drei Spuren der Autobahn musste möglich sein. Ausserdem musste der Verkehrsfluss auf der Autobahn auch während der Bauzeit jederzeit gewährleistet werden können. «Kostenmässig lagen beide Varianten gleichauf» erzählt Harry Fellmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung der ausführenden Bänzinger Partner AG. Ausschlaggebend für die Ausführung in Holz waren schlussendlich die bessere Ökobilanz und die raschere Ausführung. 

Holzbau spart 560 Tonnen CO2 ein 

In Sachen Nachhaltigkeit hatte der Holzbau klar die Nase vorn. Lukas Rüegsegger, Geschäftsführer des Berner Holzbau-Ingenieur-Büros Timbatec rechnet vor: «Für die Herstellung der Holzstreben wurden gegenüber der Massivbauweise aus Beton mehr als 300 Tonnen CO2 eingespart. Kommt dazu, dass Holz CO2 speichern kann. Auf die in Suhr verbaute Menge Holz können deshalb nochmals 260 Tonnen CO2 als Benefit dazugerechnet werden. Womit die Einsparung gegenüber der Massivbauvariante bereits 560 Tonnen CO2 beträgt.» 850 Kubikmeter Bauholz wurden auf der neuen Wildtierbrücke in Suhr verbaut. Wer jetzt denkt, dass das viel sei, wird rasch eines Besseren belehrt. «Diese Menge ist im Schweizer Wald innert 3 Stunden und 26 Minuten wieder nachgewachsen», winkt Rüegsegger ab. «Der Wald hat bei weitem noch viel mehr Potential», erklärt er. «7,5 Mio. Kubikmeter Holz wachsen jährlich in Schweizer Wäldern. Damit können wir arbeiten, denn es wächst wieder nach.» 

Vorgefertigt und in Form gebracht 

Mit der Ausführung war die ARGE FERA mit der Aarvia Bau AG und Häring AG beauftragt. Die benötigten156 BSH-Bogenträger wurden in der Hüsser Holzleimbau AG in Bremgarten vorgefertigt. Jeder Träger ist 17,4 Meter lang und hat einen Querschnitt von 24 mal 76 Zentimetern. Dafür wurden die Fichtenbretter mit einer grossen Leimpresse in die gewünschte Form gedrückt, bis sie nach dem Aushärten des RF-Klebstoffes formstabil sind. Stahlteile, sogenannte Metallschuhe an beiden Seiten der Träger sorgen für die nötigen Auflager zur Montage. Fertiggestellt wog jeder Holzträger rund zwei Tonnen, die jetzt zur Montage auf die Baustelle gebracht werden mussten. Hier waren unterdessen die Ortsbetonwände erstellt worden, die wiederum auf acht bis zwölf Meter tiefen Pfählen zu stehen kamen. 

Aufgerichtet innert 15 Nächten 

Für 24 Nächte bekam das Projektteam eine Teilsperrung der Autobahn A1 von jeweils einer Spur bewilligt. Von Anfang an war klar: das muss reichen. Die Nachtschichten mit Teilsperrung der Autobahn starteten jeweils um 21.30 Uhr und dauerten bis 4 Uhr morgens an, damit zum Einsetzen des Pendlerverkehrs beide Spuren wieder offen sein würden. Marc Müller, Projektleiter der Häring Holzbau lässt erahnen unter welcher Anspannung die beiden Montage-Teams standen: «Vor Ort haben wir mit zwei Kränen gearbeitet. Damit sich diese nicht in die Quere kamen, begannen wir auf der einen Seite mit dem Portal und auf der einen Seite mit den Bindern.» Die Holzbauer kommen gut voran. Bereits in der zweiten Nacht stellen sie das zweite Portal auf und hatten fünfzehn Binder montiert. Jetzt kam Euphorie auf. Und die stabile Schönwetterlage von Ende August bis Anfang September spielte ihnen in die Hände: «Bereits in der dritten Nacht konnten wir parallel zum Setzen der restlichen Binder mit den Sekundärträgern, also mit der Balkenlage, beginnen», erzählt Müller. Innert 15 Nächten waren alle 156 Binder sauber eingepasst und verschraubt und die Holzarbeiter konnten in den Tagesbetriebwechseln. 

Fertigstellung bis Ende 2020 

2015 Quadratmeter Furnierschichtholzplatten wurden auf den Bogenträgern befestigt. «Diese wurden von unten angeschraubt und dann mit Tellerkopfschrauben runtergedrückt, damit sie sich der Rundung der Bogenträger anpassen», erklärt Müller bei der Baustellenbesichtigung im September. 22'000 Schrauben und 200'000 Nägel werden bis zum Schluss verbaut sein. Auf die Furnierschichtplatten wird eine Bitumenbahn verlegt und darauf kommt wiederum eine beschieferte Abdichtungssplane zu liegen. Schliesslich wird mit einer fugenlos verschweissten Wurzelschutzfolie sichergestellt, dass Pflanzenwurzeln die Abdichtung nicht zerstören können. Sickergeröll, Drainage-Matte und schliesslich die Auffüllung mit Erdreich vervollständigen den Boden-Aufbau. 

Teiche, Büsche, Feuchtgebiete und Verstecke 

Damit sich Reh, Fuchs, Wildschwein, Baummarder, Biber, Dachs, Eichhörnchen, Feldhase, Hermelin, Iltis, Mauswiesel und Wasserspitzmaus wohlfühlen, braucht es aber noch mehr. 200 Meter lange mit Hecken begrünte Wände werden links und rechts für den Blendschutz der Tiere sorgen. Die gesamte Gestaltung der Fläche wird durch Landschaftsarchitekten geplant. Hier wird es kleine Büsche als Verstecke für kleine Tiere geben, Feuchtgebiete für Lurchen, Frösche etc., grosse Büsche als Verstecke für grössere Tierarten sowie Stein- und Altholzhaufen. Zudem wird der bisherige Waldweg, direkt neben dem Installationsplatz, rund 30 Meter nach hinten in den Wald verlegt, damit die Tiere Ruhe haben.Während die Baustellenarbeiten bis Ende 2020 abgeschlossen sein werden, wird es für die Fertigstellung der Bepflanzung wohl bis zur nächsten Wachstumsperiode im kommenden Frühling dauern. Dennoch heisst es bereits ab Weihnachten 2020: Weg frei für Bambi und Co. 

Weitere Informationen

 

Kenndaten zum Projekt

Brückenlänge gesamt: 36 Meter 
Brückenfläche: 54 Meter 
Verbautes Holz: 850 m3 Fichte 
Eingespartes CO2: 560 Tonnen 
Bauherr: Astra, Bundesamt für Strassen 
Planung: Ingenieurgemeinschaft WUEF 
(Bänzinger Partner AG und Timbatec) 
Ausführung: ARGE FERA 
(Aarviva Bau AG und Häring AG) 
Baukosten: 13,9 Mio. CHF 

 

Text: Anita Bucher

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