27. Dezember 2021

Beton im (Klima-)Wandel

Recycling-Beton, Urban-Mining in Wiederaufbereitungsanlagen, Beton der CO2 speichern kann oder gar „grüner“ Zement. Es ist viel los auf dem Beton-Markt und in der Forschung. Das ist auch gut so, denn der Klimawandel wartet nicht. In der Schweiz gibt es derzeit einige vielversprechende Lösungsansätze.

Text: Anita Bucher
Bilder: Eberhard Bauunternehmungen/ETH Lausanne

Beton, unser liebster Baustoff, ist ein Klimasünder. Zehn Milliarden Tonnen davon werden jedes Jahr weltweit hergestellt (1). Bei der Herstellung von Zement entstehen grosse Mengen des Treibhausgases CO2. Eine Lösung muss her, und zwar bald. Erfreulich also, dass in letzter Zeit gerade aus der Schweiz viel dafür getan wird, den Beton umweltfreundlicher zu machen.
 

Auf ins zirkuläre Baustoffzeitalter
Einer dieser vielversprechenden Ansätze ist die Wiederaufbereitung von Baustoffen. Alleine beim Rückbau von Gebäuden fallen in der Schweiz pro Jahr rund 7.5 Millionen Tonnen Bauabfälle an (2). Ende September 2021 eröffneten die Eberhard Unternehmungen das mit 16.000 Quadratmetern – schweizweit grösste Aufbereitungszentrum für Bauabfälle (EbiMIK). Hier wird mit sechs intelligenten Robotern, dem Herzstück der Anlage, erstmals Mischabbruch zu qualitativ höchstwertigen Sekundärrohstoffen aufbereitet. Dieser wurde bis heute meist deponiert oder minderwertig wiederverwendet (Downcycling). Die Verarbeitung von Mischabbruch zu neuen Wertstoffen im EbiMIK ist einzigartig in der Schweiz. Was den Beton anbelangt bieten die Eberhard Unternehmungen hierfür auch gleich die Anschlusslösung an.

zirkulit® Beton speichert CO2
Seit dem Frühjahr 2021 ist der nachhaltige zirkulit® Beton ab dem BaustoffRecyclingZentrum Ebirec in Rümlang verfügbar. Er zeichnet sich durch maximale Zirkularität, einen kleineren CO2-Fussabdruck und gleiche statische Eigenschaften gegenüber einem Primärbeton aus. Dabei enthält er weniger als ein Drittel Primärressourcen, und mehr als zwei Drittel wiederaufbereitetes Material und er kann pro Kubikmeter rund 10kg CO2 speichern. zirkulit® Beton ist im ganzen Haus einsetzbar, von der wasserdichten Bodenplatte über die statisch tragende Wand bis zu der dem Regen ausgesetzten Aussenwand und ist damit wohl der «Derzeit ökologischste Beton der Schweiz» wie Patrick Eberhard, Geschäftsführer der zirkulit AG erfreut zu berichten weiss.

«Grüner Zement» aus Lausanne
Anfang November wurde zudem bekannt, dass einem internationalen Forscherteam unter der Leitung der ETH Lausanne nun ein grosser Erfolg gelungen ist. Es hat eine Beton-Rezeptur entwickelt, die den klimaschädlichen CO2-Ausstoss um 30% reduziert und trotzdem gleichwertig ist mit herkömmlichem Beton. Im neuen Beton-Rezept (LC3 genannt) wird der umweltschädliche Klinker (Hauptbestandteil von Zement) zum Teil durch gebrannten Ton ersetzt. Dieser muss anstelle von 1400 Grad (bei Klinker) «nur» auf 800 Grad erhitzt werden und setzt (im Gegensatz zu Klinker) seinerseits kein CO2 frei. Damit hat Beton aus LC3-Zement nun einen um 30% reduzierten CO2-Ausstoss. Die Rezeptur ergibt einen vollwertigen Beton, der zudem auch auf der Kostenseite konkurrenzfähig bleibt.

Ist das der Durchbruch des Öko-Betons?
«Die grösste Arbeit ist es die rund 2000 Beton-Produzenten weltweit von der neuen Rezeptur zu überzeugen», sagt Karen Scrivener, Betonforscherin in einem Interview mit SRF. Das sei eine schwierige Arbeit. Denn Prozesse zu verändern ist aufwendig und kostenintensiv. Tests müssen gemacht werden, Baustandards müssen angepasst werden. Derzeit konzentrieren sich die Forschenden auf den indischen Markt, da hier die Betonproduktion (nach China) am höchsten ist und weiter steigen wird. Die Bemühungen haben Erfolg: Erste Betonproduzenten in Indien würden nun bereits LC3 anbieten. Auch auf globaler Ebene könnte der Durchbruch kommen. Dies bestätigt auch der globale Verband der Zement- und Betonhersteller: Fast alle seine Mitglieder hätten angekündigt, künftig LC3 Produkte anzubieten auch der Schweizer Holcim-Konzern ist dabei.

Pflaster für alte Beton-Bauten
An der Empa in Dübendorf beschäftigen sich Forschende derzeit aber noch mit einem ganz anderen Ansatz. Sie wollen bestehende Beton-Bauten durch Verstärken vor einem Ersatz-Neubau bewahren. Die Technologie dazu wurde bereits vor Jahrzehnten entwickelt. Sie basiert darauf die Lebensdauer eines Betonbauwerkes durch das Aufkleben von kohlefaserverstärktem Kunststoff (CFK) zu verstärken. 2018 kam sie bei einer Brückensanierung in Küssnacht zum ersten Mal Praxis-Einsatz. Jetzt arbeiten die Forscher bereits an der Verbesserung. Denn das Verfahren hat grosses Potenzial: Die Versuche im Labor zeigen, dass die Belastungsfähigkeit einer Betonplatte damit um bis zu 77 Prozent verbessert werden konnte. Gelingt es den Forschern die Technologie marktreif zu machen, gibt es in der Schweiz sicher einen grossen Markt dafür: Jedes Bauwerk, das, statt neu zu bauen, saniert werden kann, spart nebst Kosten eine grosse Menge CO2 ein

Netto null bis 2050
Zurück zur Zementproduktion: Sowohl der Schweizer Verband der Zement-Industrie (cemsuisse) als auch der Weltverbandes der Zement- und Betonindustrie (Global Cement and Concrete Association, GCCA), haben sich zu den Zielen des Pariser Klimaabkommens bekannt. Damit ist klar: Bis 2050 müssen die CO2-Emissonen von Zement auf null sinken. Damit das funktionieren kann, muss auf jeden Fall noch eine Menge passieren. Positiv zu vermerken ist: Es ist einiges in Bewegung auf dem Schweizer Markt und in der Forschung. Wie rasch es nun weiter vorwärts geht, bleibt abzuwarten.

 

(1) SRF, Einstein, 14.11.2021

(2) Eberhard Unternehmungen

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